Eine jahrzehnte lange Erfolgsgeschichte unserer mobilen Betreuung  

„Guten Morgen“ murmelt es aus dem abgedunkelten Zimmer, denn Markus, Student im 6. Semester an der Hochschule in Offenburg, hat an diesem Tag frei und doch tatsächlich den Termin zum Interview ‚verpennt‘. So erlebe ich gleich zu Beginn unseres Kennenlernens, dass Markus ohne fremde Hilfe im Alltag ziemlich eingeschränkt ist. Das ist auch der Grund für unser Gespräch, denn er wird über den Verein Leben mit Behinderung Ortenau e. V. im Rahmen einer 24-Stunden-Betreuung versorgt. Markus hatte die Idee zum Gespräch: „Ich werde schon seit der Grundschulzeit vom Verein betreut und dass ich heute so ein selbstbestimmtes Leben mit Unterstützung führen kann, habe ich neben meinen Eltern besonders dem Verein zu verdanken.“ Beim Aufstehen, beim Anziehen, bei der Morgentoilette unterstützt ihn an diesem Tag sein Schwager, der auch im Haus wohnt.

Die Ursache für Markus‘ Behinderung ist eine Spinale Muskelatrophie (SMA). Bei SMA ist ein Gen betroffen, welches u. a. für die Ausschüttung eines Proteins zuständig ist, das die Kommunikation zwischen Nervenzellen und Muskelzellen steuert. Nachdem Markus zunächst den Kindergarten für Körperbehinderte in Offenburg besuchte, hatte er es dem kämpferischen Willen seiner Mutter zu verdanken, dass er im Alter von 6 Jahren in seinem Heimatdorf in die Regel-Grundschule gehen konnte. „Die mussten erst mal eine Rampe bauen, damit ich mit meinem Rollstuhl ins Klassenzimmer kommen konnte“ erinnert er sich. Ob es für die Mitschüler seltsam war, dass er im Rollstuhl saß? „Nein, im Gegenteil: sogar auf dem Sportplatz war ich mit dabei, war Mitglied in der Mannschaft des Fußballvereins im Ort. Meine Mitspieler konnten mit Hilfe meines Rollstuhls über Bande spielen. Da boten sich völlig neue Spielmöglichkeiten“ erklärt Markus mit einem Grinsen im Gesicht.

Nach Besuch der Realschule und Abitur auf dem technischen Gymnasium in Lahr, entschied er sich für den Studiengang Medien und Informationswesen, denn Technik, Naturwissenschaften und natürlich das Arbeiten am Computer sind sein Steckenpferd. Auch ein musikalisches Talent wurde ihm in die Wiege gelegt: seine Großmutter war jahrzehntelang Organistin in der Kirche. Dass Offenburg auch Studienort wurde, lag auch an der Nähe zum Wohnort. So war es möglich das engmaschige Netz der Betreuung aufrechtzuerhalten, dass ihm seinen weitestgehend selbstbestimmten Alltag ermöglicht. Während des Studiums hat er sich auf die musikalische Vertonung von Filmen und Sounddesign für Computerspiele spezialisiert. Seine Kompositionen und Vertonungen sind wirklich beeindruckend, klangvoll und sehr musisch.

Mut machen möchte Markus allen, die aufgrund einer Behinderung auf Unterstützung angewiesen sind: „Traut euch was. Findet Menschen, die euch begleiten und betreuen. Ich weiß, dass ich vieles ohne meine Mutter und meinen Vater nie erreicht hätte. Sie haben mir den Weg bereitet, haben im Verein Leben mit Behinderung Ortenau einen zuverlässigen Partner mit motivierten und tollen Mitarbeitern gefunden, die mich unterstützen. Nun bin nun bereit für den nächsten Schritt.“ Im Moment läuft ein Bewerbungsverfahren an der Film Akademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. „Dann werde ich von zuhause weggehen. Ich fühle mich stark und fit genug, den Weg in ein eigenständiges Leben zu schaffen und weiß, dass ich auch dort Menschen finde, die mich versorgen, betreuen und begleiten können.“

Hitradio Ohr hat Markus zuhause besucht und mit ihm ein Interview geführt. Es wurde am 29.03.2023 in der Sendung "Berufe mit Geschichten" ausgestrahlt.
Hier ist das komplette Interview zum anhören: Berufe mit Geschichten - Filmkomponist | HITRADIO OHR (hitradio-ohr.de)