Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Konrad Ritter
Ortenaukreis / Stuttgart, 09.12.2022 - Anlässlich des „Internationalen Tages des Ehrenamtes“ hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann an 17 Bürgerinnen und Bürger für besonderes ehrenamtliches Engagement das Bundesverdienstkreuz überreicht und ihren Einsatz gewürdigt. Konrad Ritter ist einer davon und wurde für sein jahrzehntelanges Engagement bei unserer Mitgliedsorganisation „Leben mit Behinderung Ortenau“ ausgezeichnet.
Herr Ritter, zunächst einmal ganz herzliche Glückwünsche zu der ehrenvollen Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz. Wie haben Sie die Nachricht erhalten?
An einem trüben nassen Novembermorgen gehe ich wie gewohnt an den Briefkasten, um die Post herauszuholen. Da sehe ich einen an mich adressierten Umschlag vom Staatsministerium in Stuttgart. So einen Brief in einem schönen Kuvert bekommt man nicht alle Tage.
Was geht einem in diesem Moment durch den Kopf?
Sehr überrascht war ich. Sofort beginnt es im Kopf zu rattern: Was mag das wohl sein? Groß war die Freude über das Anschreiben und die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz, die persönlich von Ministerpräsident Kretschmann unterzeichnet war. Da ist man erst mal baff, denn dieses besondere Ehrenamt im Verein Leben mit Behinderung Ortenau war mir immer eine Herzensangelegenheit, mein Engagement galt immer den Menschen mit Behinderung und ihren Familien. Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft sind keine Einbahnstraße. Der Dank, der zurückkommt ist eine große Belohnung und gibt dem Leben Sinn.
Wissen Sie schon in welchem Rahmen Sie das Bundesverdienstkreuz erhalten? Wer wird Sie zu diesem Anlass begleiten?
Tatsächlich enthielt der Brief die Einladung zu einem Staatsempfang am 9. Dezember im Neuen Schloss in Stuttgart mit Übergabe der Auszeichnung. Ich freue mich sehr, dass mich meine Frau und unsere beiden Söhne begleiten können. Und dass mich Joachim Haas, einer der beiden Vorstände im Verein, als jahrzehntelanger Weggefährte ebenfalls begleiten kann. Dann ist mein Kontingent von 4 Personen leider ausgeschöpft.
40 Jahre waren Sie im Verein Leben mit Behinderung Ortenau, dem ehemaligen Spastikerverein Offenburg aktiv. Sie haben viele Projekte mit angestoßen und begleitet. Welche Ämter hatten Sie in dieser Zeit inne?
Begonnen habe ich 1981 als Schriftführer. Später war ich Geschäftsführer, dann ehrenamtlicher Vorstand und zum Schluss Aufsichtsratsversitzender des Elternvereins. Man könnte auch mit einem Augenzwinkern sagen, dass ich den personalisierten Wandel im Verein darstelle (Herr Ritter schmunzelt).
Der Verein wurde von Eltern gegründet, die alle ein Kind mit Behinderung hatten. Der Anlass war die Selbsthilfe, die gegenseitige Unterstützung und der Austausch untereinander. War es bei Ihnen auch die eigene Betroffenheit, die Sie zu Ihrem Engagement bewogen hat?
Nein, das war es nicht. Es war tatsächlich mein Beruf, der mich mit dem Verein in Kontakt gebracht hat. Die Begegnung mit Hans Mußler, dem Gründungsvorsitzenden des Vereins, der meine Hilfe als Berater in der Eingliederungshilfe des Sozialamtes benötigte, war wohl schicksalhaft. Er sprach mich dann an, ob ich mir vorstellen könnte, mich im Vorstand zu engagieren. Das Amt des Schriftführers war dann das Ergebnis.
In vierzig Jahren erlebt man Vieles. Manches ist Grund zur Freude, vieles verändert sich, manchmal muss man dicke Bretter bohren. Was ist Ihr Fazit aus diesem 40 aktiven Jahren?
Es lohnt sich immer anderen Menschen zu helfen! Albert Schweitzer hat den Satz geprägt, dass es immer zu wenige Menschen gibt, die sich für andere einsetzen. Da kann ich nur sagen: der Mann hat recht. Bis zum heutigen Tag ist das meine Motivation, denn meine Eltern haben als Vorbilder gezeigt, wie wichtig und wertvoll es ist, sich für andere einzusetzen. Sie waren tief verwurzelt in der christlichen Ethik und die ist auch in mir fest verankert.
Die Behindertenhilfe im Ortenaukreis ist ein fester Bestandteil des sozialen Gefüges in der Ortenau. Wie hat sich das in Ihrer Amtszeit entwickelt?
Zu Beginn meiner Tätigkeit stand ganz klar die Fürsorge im Vordergrund. Doch dann hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen. Mit der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 rückte die Selbstbestimmung und die Teilhabe in den Vordergrund. Heute geprägt durch den Begriff ‚Inklusion‘.
Gab es einen Moment oder ein Ereignis, dass Sie besonders berührt hat?
Ich empfinde die letzten 40 Jahre als Erfolgsgeschichte des Vereins, die ganz viele Menschen möglich gemacht haben - mit unermüdlichem Einsatz und dem Willen voranzukommen. Aber tatsächlich bewegt mich bis heute ein Nachmittag, an dem ich bei der Hippotherapie (Anm.: Reittherapie oder auch therapeutisches Begleiten mit dem Pferd) anwesend sein konnte. Eine Frau, die sich vorher nicht allein fortbewegen konnte, lief nach Ende ihrer Reitstunde auf mich zu. Da kamen mir die Tränen, denn es hat mir gezeigt, wie wertvoll Therapiearbeit mit Menschen mit Handycaps ist.
Welches Projekt war ganz besonders wegweisend in Ihrer aktiven Zeit und hat den Verein nachhaltig geprägt?
Da gab es so viele große und kleine Projekte, die den Verein vorwärtsgebracht haben. Sicher war ein bedeutendes Ereignis die Übernahme der Tagesfördergruppe im Brünnlesweg in Offenburg, den dadurch wurden wir als teilstationäre Einrichtung anerkannt. Das hat später den Weg geebnet für unser Wohneinrichtungen in Achern-Gamshurst, Schutterwald und Renchen und alle weiteren Angebote.
So eine Lebensaufgabe im Ehrenamt kann man nicht allein stemmen. Wer waren Ihre Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter. Und vor allem: wem gilt es Danke zu sagen?
So ein Ehrenamt kann man nur stemmen, wenn einem Menschen den Rücken stärken. Deshalb gilt allen voran der größte Dank meiner Frau. Sie war immer für mich da. Sie hat mich immer unterstützt – manchmal bis spät in die Nacht; war Gesprächspartnerin und Motivatorin, Ratgeberin und Zuhörerin, Mitarbeiterin. Sie stand immer an meiner Seite. Auch meinen Söhnen gilt mein Dank, denn sie mussten oft genug auf ihren Vater verzichten. Im Verein waren besondere Wegbegleiter Joachim Haas und Wolfgang Dürr als Geschäftsführer, Mechthild Wiemann und Fides Köhne als betroffene Mütter und aktive Vorstandsmitglieder. Aber auch alle anderen engagierten Vorstände und Vereinsmitglieder in all den Jahrzehnten, waren wertvoll und wichtig – eben ein starkes Team.
Sie haben im Jahr 2021 Ihr Amt im Verein in neue Hände übergeben. Bedeutet das jetzt, dass es in Ihrem Leben ruhiger geworden ist?
(Lacht) Nein, und das auch ist gut so! Ich betreue von Herzen gerne meine 6 Enkelkinder, singe in 2 Chören, schmiede Urlaubspläne mit meiner Frau, die wir dann umsetzen, habe einen großen Freundes- und Familienkreis. Wir treffen uns viel mit anderen, sind sehr gesellige Menschen. Außerdem unterstütze ich immer noch Menschen, für die ich zum Beispiel Betreuungen übernehme oder sie bei Gängen zu Ämtern oder zu Behörden begleite und unterstütze.
Haben Sie noch Pläne und Wünsche für die Zukunft?
Aber selbstverständlich! Eine Schiffsreise, gesund bleiben und das Paradies vor meiner Haustür noch ganz viele Jahre lang genießen, solange der Herrgott meine Gesundheit und geistige Klarheit erhält. Mein ganzes Leben schöpfe ich Kraft und Energie aus meinem Glauben und dieser motiviert mich auch in Zukunft zu Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft. Dem Verein wünsche ich für die Zukunft weitere Fortschritte, gutes Gelingen und allseits Freude in der Weiterführung seiner Projekte.
Sogar einen Film von der Verleihung gibt es: https://youtu.be/WIL5CmT0Vc4